Die Chance (m)eines Lebens – 09.12.1997
Anfang 1997 erzählte mir, in Anwesenheit eines lieben Arbeitskollegen, ein schon verstorbener guter Freund, dass er über seinen Antiquitätenhändler/Trödler von einer Witwe, mit einer riesigen Märklinanlage wisse. Sie hätte ab und zu dem Händler schon ein paar Stücke aus Blech verkauft. So wurde unser Interesse geweckt und wir baten den Freund um die Vereinbarung eines Besichtigungstermins. Die Dame galt als schwierig. Der Termin kam, nach einem Vorgespräch durch meinen Freund, jedoch mit Fr. S. problemlos zustande. Auf der Fahrt dorthin bekam mein Freund zunehmend Zweifel an unserem Ausflug und bemerkte mehrmals in immer kürzeren Abständen je näher das Ziel rückte, dass Er uns sicherlich zuviel versprochen hätte und wir von Ihm und der Anlage enttäuscht sein würden. Als wir in der Nähe von Speyer in einer kleinen Ortschaft ankamen, hatten wir dann selbst schon große Zweifel ob dies „die Chance eines Lebens“ wäre. Diese hielten zum Glück nicht lange an. Zur Begrüßung wurden wir in ein Wohnhaus gebeten, was schon eher einem Sammel-Museum glich. Das Anwesen war eine ehemalige Brennerei mit Wohnhaus, Brennerei und 2-3 Nebengebäuden. Die alte Dame war sehr nett. Wir mussten zunächst im Museums – Wohnbereich Platz nehmen, Kaffee trinken und uns zu dritt ein wenig mit Ihr unterhalten. Wir erfuhren, dass Ihr verstorbener Mann ehemaliger ungarischer Fußballnationalspieler war; er die Brennerei nach der Heirat von Ihren Eltern übernommen hatte und sein Leben lang Eisenbahn, mechanisches Spielzeug, Uhren, Werkzeug, Briefmarken und vieles andere gesammelt hat. Er sei selbst regelmäßig zu den Obstbauern in die Pfalz gefahren um das Obst für den Brand abzuholen und immer auch zusätzlich mit neuen Sammelobjekten heimgekommen. Ich kann mich heute, 12 Jahre später, noch erinnern und nachempfinden, wie aufgeregt und innerlich ungeduldig wir waren. Wir wollten endlich dies Alles auch sehen. Nach dem Kennenlernen war es dann endlich soweit. Wir wurden ins Dachgeschoß geführt. Was wir sahen, war im ersten Moment unfassbar. Das ganze Dachgeschoß war eine riesige Märklinanlage H0, an den Wänden Schränke zur Unterbringung des rollenden Materials und Glasvitrinen als Wandteiler voller zusammengestellter Zuggarnituren. Einzig 2 Gästebetten hatten noch in einer Ecke Platz gefunden. Die Besitzerin ließ uns dann mit unserem Staunen allein und wir nahmen Alles in Ruhe in Augenschein. Hier gab es 3 Märklin Drehscheiben, ein 2er Lokschuppen, mehrere Märklin Kräne, drei Ringlokschuppen und eine komplette Oberleitung. In den Vitrinen standen unzählige Loks ca.250, darunter 2 Krokodile der Fa. Märklin aber auch Sachen von anderen Firmen ( Trix, Fleischmann, Beckh, Arnold, Rokal, JEP ) und in anderen Größen 0, S, TT. N. Als wir die Schränke öffneten, waren diese voll mit Waggons verschiedenster Hersteller, Schwerpunkt ebenfalls Märklin.
Die Anlage umfasste den geschätzten Zeitraum 1955-1975. Nach ungefähr 2 – 3 Stunden waren wir der Meinung, wir hätten uns einen Überblick verschafft. Dies war jedoch ein Irrtum, da wir anschließend von der Besitzerin durch die Brennerei und die übrigen Nebengebäude geführt wurden. Der Museumsbesuch ging also weiter. Das Unfassbare war noch nicht zu Ende. Die Brennerei ähnelte auch eher einem Sammler–Raum. Hier hingen und standen alte Uhren, Gemälde, Schiffsmodelle, altes Blechspielzeug,. Dampfmaschienen, immer wieder Eisenbahn und Werkzeug. Ein alter Sekretär war voller Malbedarf. In den Ecken der Nebengebäude standen Obststeigen voll mit Gleismaterial der Hersteller Märklin, JEP, Trix, Fleischmann in verschiedenen Spurgrößen, teilweise schon ziemlich angerostet. Eine komplette Fleischmannanlage mit mehreren Trafos und Schaltern tauchte auch noch auf. Nach Beendigung der Besichtigung meldeten wir unser Interesse am Kauf der gesamten Anlage an, bedankten uns höflich für Ihr Vertrauen und vereinbarten einen erneuten Wochenendtermin zur Katalogisierung der gesehenen und nicht gesehenen Spielsachen. Die Heimfahrt war vom Pläneschmieden gekennzeichnet. Wir mussten das Erlebte erstmal verarbeiten. Klar war sehr schnell, dass genügend Märklinsachen dabei waren, die unsere Kindheitswünsche vervollständigen würden. Dies war somit sicherlich in Bezug auf unser Hobby die Chance eines Lebens! Der vermittelnde Freund wollte sich nicht an unserer Aktion beteiligen. Er wollte nur einige Stücke als Vermittlungsprovision. Die Kaufsumme zu diesem Zeitpunkt noch ein Fragezeichen. Der andere Freund und Arbeitskollege hatte schon Erfahrung mit Auktionshäusern und wusste vom Koll Katalog.
Die eigentliche Arbeit begann aber erst nach dem Kauf und mit dem Abbau der Anlage. Mein Freund wollte eigentlich nur das rollende Material einpacken. Ich dagegen wollte die komplette Anlage mit allem Zubehör ohne Unterbau abbauen. Nach interner Beratung geschah das dann auch. Darunter befand sich auch viel altes Zubehör wie z.B. der Bahnhof Fluelen 111, das Vollmer Kieswerk, der Seuthe Stellwerk Tankautomat, ein allerdings defekter Wiad Kran und viele weitere alte Modelle der Fa. Faller, Busch, Preiser, Vollmer und Kibri.
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Hier noch ein paar gefundene und eingescannte Bilder:
Die Geschichte ist eigentlich noch nicht fertig erzählt. Der Kaufvertrag wurde am 9.12.1997 unterschrieben. Vorab nur noch soviel: Dies war ein Wendepunkt in der Beschäftigung mit der 2. schönsten Nebensache der Welt. Dadurch wurde meine Internettätigkeiten – ebay seit 1.4.1999, homepage – geweckt. Jeder von uns hat ca. 60 Märklin Loks, unzählige Wagen und Zubehör behalten; der Rest wurde nach und nach verauktioniert, zunächst in mehreren Auktionen in einem Auktionshaus, dann die Reste über einen langen Zeitraum über ebay.
Insgesamt war dies eine einmalige Sache. Wir haben unsere Investitionskosten über einen Zeitraum von 4-5 Jahren wieder eingefahren, allerdings ohne Zins und Zinseszins mit erheblichem persönlichen Aufwand. Geblieben sind uns als Lohn für unsere Risikobereitschaft viele schöne HO Stücke und die Erinnerung an unseren Wahnsinn! – also doch die Chance eines Lebens!
Hier noch eine Bilder – Galerie von Stücken, die auch bei der Sammlung dabei waren und sich noch in meinem Besitz befinden:
Weiter geht es mit meiner persönlichen Märklin Modelleisenbahn Geschichte im Kapitel: Modelleisenbahn-Wiedergeburt Nr.3.
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